Page 17 - Leseprobe - Überfahrene Lebenswelt
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Geografische Lage und Besonderheiten des Kanaltales

            2. Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten


               Das Kanaltal ist erst recht spät beachtenswert besiedelt worden. Im
            Jahr 1007 schenkte Kaiser Heinrich II. aus dem Adelsgeschlecht der
            Ottonen das gesamte Gebiet von Villach bis zum Ende des Kanaltales
            bei Pontafel/Pontebba – das schon 157 n. Chr. als römische Zollstation
            an der Grenze Illyriens genannt wird – dem von ihm gegründeten Bis-
            tum Bamberg. Durch den Ankauf seitens Maria Theresias kam dieses
            Gebiet im Jahre 1759 vom – schon seit 1303 – Fürstbistum Bamberg in
            das Reich der Habsburger.
               Mit der Schenkung an Bamberg begann, auch durch den aufstreben-
            den Wirtschaftsraum Villach, ein reger Warenverkehr, der Arbeit brach-
            te, also die Besiedlung erhöhte. Eine rege Zuwanderung gerade auch
            aus deutschen Landen setzte ein und forderte verstärkten Straßenbau.
            Die Bewohner wurden als Fuhrwerker gebraucht und hatten damit über
            lange Zeit ein halbwegs gesichertes Auskommen. Die Landwirtschaft in
            der schroffen Gebirgslandschaft des Kanaltales war sehr mühsam und
            hauptsächlich als Weidewirtschaft – wichtig für die Zugtiere – nutzbar;
            in heutiger Terminologie waren es weitgehend Nebenerwerbsbetriebe.


               Der Beginn der Industrialisierung wirkte sich im Kanaltal stark aus.
            Der Eisenbahnverkehr verringerte die Arbeit der Frächter in existenz-
            bedrohender Weise, und ließ die Auswanderung nach Amerika Ende
            des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts massiv ansteigen. »Es gibt
            nur wenige alteingesessene Familien im Dreiländereck, die nicht Verwandte
            in Nord- oder Südamerika haben.«  Bezeichnend ist eine kurze Episode,
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            die Moritsch wiedergibt:  »Von der Armut der Menschen betroffen, soll
            Kaiser Franz Joseph, als er 1882 auf der Durchreise nach Triest im Hotel
            zur Post in Flitsch (heute Bovec in Slowenien; Anm.) übernachtete, fol-
            gendes Angebot gemacht haben: „Ihre Majestät weiß, dass Ihr es hier schwer
            habt, deshalb bietet Sie Euren Familien Land in Ungarn an. Besprecht das
            und entscheidet Euch!“ Die Besprechung war kurz und die Entscheidung
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            klar: „Nein, wir verlassen diese Erde und diese Alpentäler nicht. «
               »Der ganze Nordwesten des Friaul und sein gebirgiger unzugänglicher
            Nordosten … waren durch Jahrhunderte ein Reservoir für diese immer-
            währende Auswanderung, die ganze Landstriche, die irgendeiner dieser


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