Page 17 - Leseprobe - Vom Brot im Meer
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Wir wussten, dass es im neuen Staat Israel an allem
            mangelte. Deshalb nahmen wir alle nötigen Sachen mit.
            Die Wohnung wurde ein Spielplatz für unsere zwei Kin-
            der, Reuven und Daphne, da sie nun leergeräumt war. In
            einer Ecke war alles zum Mitnehmen aufgestapelt, und
            wurde nach und nach in Kisten verpackt. Koffer wur-
            den gefüllt, Möbel wurden auf Lastwagen verladen und
            verschickt, und mit einer ängstlichen Mischung von Er-
            wartung und Erregung sah ich, wie alle, mir so bekann-
            ten und geliebten Gegenstände unseres täglichen Lebens,
            verschwanden und weggebracht wurden, damit wir ein
            neues, ganz anderes, Leben beginnen konnten.
              Die Entfernung zwischen der Insel Zypern und Israel
            ist nicht groß, und unsere Schiffsreise von Limassol nach
            Haifa dauerte nur zehn Stunden. Reuven und Daphne
            waren von dieser Fahrt so begeistert, dass sie gar nicht
            aussteigen wollten. Für David und mich war eine Rei-
            se auf dem Meer immer eine Erinnerung an unser erstes
            Treffen, als wir beide auf der „Queen Mary“ den atlan-
            tischen Ozean überquerten und einander kennenlernten.
              Das Ziel unserer Reise war ein Vorort Tel-Avivs, der
            Shikun Dan hieß. Als wir endlich mit einiger Verspätung
            dort ankamen, sahen wir, dass das Haus, in das wir ein-
            ziehen sollten, noch gar nicht fertig war. Es waren keine
            Handwerker zu sehen, die Fenster hatten keine Glas-
            scheiben und einige Installationen fehlten.
              Es war die Zeit, in der sich Israel in einem chaotischen
            Zustand befand, da innerhalb kurzer Zeit so viele Ein-
            wanderer ankamen. Irgendwo mussten sie ja alle ein
            Obdach finden. Es fehlte an Baumaterial und Arbeitern,
            um Häuser und Wohnungen zu bauen. So wussten we-
            der David noch ich, wann unser Haus überhaupt fertig
            sein würde. Das war ein harter Schlag für uns. Meine
            Eltern waren ebenfalls Flüchtlinge und lebten bei mei-
            ner Schwester in Jerusalem. Es war für sie unmöglich,
            auch uns zu beherbergen. Deshalb gab es also nur eine
            Lösung: Vom Pioniergeist erfüllt, zogen wir mit den zwei
            Kindern in unser  halbfertiges Haus ein und schlugen dort
            unsere „Zelte“ auf.


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