Page 12 - Leseprobe - Vom Brot im Meer
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Das  Ideal des deutschen Menschen  war  von  nun  an
          der ursprüngliche „Teutone“, der blonde Haare und
          blaue Augen hatte, und der groß und stark war. Auch
          wurden jetzt wieder den Neugeborenen germanische Na-
          men aus der Nibelungensage gegeben. Mädchen wurden
          „Gudrun“ oder „Sigrid“ genannt und Buben „Siegfried“
          oder „Eberhardt“. Der Teutone war das Ideal des ger-
          manischen Bürgers. Auch musste es ein Arier sein. Ein
          Jude, Zigeuner oder Serbe war in ihren Augen unrein,
          verseuchte die Gegend, nahm den Ariern auf schlaue und
          betrügerische Weise Hab und Gut und die Möglichkeit,
          gut zu verdienen weg, und musste daher beseitigt wer-
          den. Je früher, desto besser.
            Ich war damals noch jung, aus einer Familie, die ver-
          suchte ihre Kinder zu behüten, wusste nichts über Poli-
          tik und hatte hohe Ideale. Unsere Familie war jüdisch,
          aber anderen Religionen gegenüber sehr tolerant. Meine
          Mutter ist in der österreichisch-ungarischen Monarchie,
          in Bosnien, mit katholischen Österreichern, griechisch-
          orthodoxen Serben und türkischen Moslems aufgewach-
          sen. Sie wurde von ihren Eltern als junges Mädchen in
          ein Kloster geschickt, um von den Nonnen gute, damen-
          hafte Manieren, Musik und Sprachen zu lernen. Mein
          Vater, ebenfalls Jude, wurde von serbischen, ungarischen
          und deutschen Lehrern unterschiedlichster Religionen
          erzogen. Niemand machte damals einen Unterschied
          zwischen ‚Ariern‘ und ‚Juden‘.
            Nun aber hatten die SS und Wehrmacht vollkomme-
          ne Kontrolle über Österreich. Wir Juden wurden ver-
          achtet; der Umgang mit uns war verboten und verpönt.
          Wir waren jeder Brutalität ausgesetzt und durften uns
          nicht wehren. Unser Besitz wurde uns weggenommen,
          und unsere geschäftlichen Tätigkeiten verboten. Für Kin-
          der war der Schulbesuch in ‚arischen‘ Schulen nicht er-
          laubt und ein Zugang zum Studium an den Universitäten
          untersagt. Das Einzige, das wir tun konnten, um doch
          weiter zu leben, war in ein anderes Land zu flüchten und
          ein neues Leben zu beginnen.
            Seit meinem neunten Lebensjahr hatte mein Vater eine


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