Page 20 - Fliegen mit geflickten Flügeln
P. 20
zu kommen und jetzt waren da nun ich, mein „Wagerl“ und die
Treppe. Und sonst niemand, das war die Chance! Und da wagte
ich es einfach.
Ich fuhr hin zur Treppe und dann mein „Wagerl“ an den
Rand, hielt mich an der Seitenstange fest und stand auf. Dann
setzte ich den ersten Fuß auf die Treppe und folgte mit dem
zweiten. Und dann die nächste Stufe. Dabei hielt ich mich natür-
lich ständig an der Haltestange an der Seite der Treppe fest und
jeder Schritt kam mir endlos lang vor. Und so kam ich, Schritt
für Schritt, bis ganz hinunter! Ich war unglaublich glücklich,
fühlte mich riesengroß und stark und als der Sieger! Noch nie
(zumindest selten!) in meinem ganzen Leben war ich in einem
bestimmten Augenblick sooo glücklich! Da erlebte ich eine
Überraschung, einen kleinen Schock.
Scheinbar waren alle Personen
(Ärzte, Schwestern, Pflegepersonal
und Patienten) im unteren Stockwerk
beschäftigt, sodass mir klar wurde,
wieso ich oben allein gewesen war.
Aber von den jetzt hier anwesenden
Personen bemerkte mich keiner! Sie
liefen förmlich an mir vorbei. Ich war
so unglaublich glücklich, hörte die
„Himmelstrompeten“ musizieren und
fühlte mich so toll, aber sie merkten es nicht. Keiner merkte
es. Nur ICH. In diesem Augenblick lernte ich etwas, das mir
seitdem immer im Gedächtnis blieb: Egal, was du schaffst, du
schaffst es NUR FÜR DICH! Keiner sieht oder bemerkt deine
Siege oder Niederlagen, du bist letztendlich alleine. Jetzt wird
so mancher sicher denken, ja alleine geht es nicht, so darf man
es nicht sehen, nur ein Zufall, ... Ich habe mir in dieser Situation
gemerkt, dass ich unglaublich glücklich war und dass ich er-
kannte(!): Ich bin alleine. Und doch erkannte ich ebenso durch
die „Himmelstrompeten“: Du bist NIEMALS alleine!
159