Page 19 - Fliegen mit geflickten Flügeln
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Wasja Petrovic
                                                                       Wien

           Die Treppe


           Als berufstätiger PC-Experte erlitt ich im Alter von 24 Jahren
           einen schweren Autounfall, bei dem zum Glück keine andere
           Person  beteiligt  war.  Danach  verbrachte  ich  viele  Monate  in
           Krankenhäusern und im RZ Meidling. Was ich unbedingt er-
           zählen möchte, weil ich glaube, dass es für manche Menschen
           von Bedeutung sein kann, das ist folgende Geschichte. Das mag
           für manchen eine Kleinigkeit und nichts Besonderes gewesen
           sein. Aber für mich in meiner damaligen Situation war es ein
           unglaubliches, unvergessliches Erlebnis!
             Und zwar begann es so: Nach meinem Unfall lag ich (anfangs
           durchs Koma bedingt) monatelang in Krankenhausbetten und
           wurde darauffolgend eine Zeit lang mit dem Rollstuhl gescho-
           ben. Ich machte laufend Therapien und Fortschritte, wo ich al-
           les wieder lernte: das Greifen, das Sprechen, das Aufstehen und
           weitere „normale“ Dinge. Nach meinen Krankenhausaufenthal-
           ten wurde ich ins RZ Meidling gebracht. Dort bewegte ich mich
           selbständig mit dem Rollstuhl und erkundete die Gegend.
             Und da sah ich sie, die Treppe! Diese runde Treppe war im
           ursprünglich originalen ReHab-Meidling absolut zentral ge-
           legen und die drei verschiedenfarbigen Trakte grenzten an sie.
           Ebenso die Therapieräume, der Speiseraum … Natürlich gab es
           einen Aufzug (welcher ständig in Betrieb war), aber man kam
           einfach unwiderruflich ständig an der Treppe vorbei und so kam
           es dann zu folgender Situation:
             Alle Therapien waren beendet und ich war alleine. Essenszeit
           war noch nicht und die Kameraden, andere Patienten, waren
           nicht zu sehen. Da war ich mit meinem „Wagerl“ und die Trep-
           pe. Ich habe ständig die Schwestern, Ärzte und das Pflegeperso-
           nal beneidet für diese rasche, einfache Möglichkeit überall hin


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