Tod und Lyrik
Die Geschwister der Flüchtigkeit?
Mit einem „Stakkato der fallenden Äpfel“ eröffnet Monika Grill ihren Gedichtband „Erinnerung an die Zukunft“, vergangenen Dezember im verlagshaus hernals erschienen.
Menschen gehen von uns, treten die letzte Reise an oder sie segnen das Zeitliche. Die Sprache rund um‘s Sterben ist voll von Metaphern und Euphemismen. To be or not to be. War Prinz Hamlet ein Poet? Wie kommt es, dass in manchen Gedichten die Lyrik mit dem Tod in Dialog tritt?
Das hat sich wohl auch die Autorin Monika Grill gefragt. In ihrem Buch folgen Abschiedsgedichte auf Lamenti. Dazwischen Glossen voller Witz und Leben. Manchmal stehle sie beim Schreiben „die Worte anderer und nähe“ sie in ihr Kleid. Grill zitiert Liedzeilen von John Mayer, The Doors und Van Morrison. Ihre Gedichte lesen sich trotz steter Melancholie immer so, als würde Brian Wilson im Hintergrund Klavier spielen.
Wenn von „tot geknüppelten Robben“ oder von weichenden Gletschern die Rede ist, möchte man am liebsten die Augen verschließen. Sobald aber die Amseln im Dickicht wie die Teeblätter im Beutel rascheln, überwiegt wieder die Freude an den kleinen Dingen des Alltags. Die Autorin verzaubert und lässt uns mit ihren Worten auf Fischgrätparkett tanzen. Einige Gedichte weisen eine gewisse Schwere auf. Der Ausblick auf eine illustre Zukunft bleibt dennoch gewiss.
Phönix tritt aus der Asche. Auf das Loslassen folgt ein Neuanfang. Auf genau diesen Prozess der
Auferstehung lädt uns Monika Grill ein. Damit sie fortrinnen, die Worte, „die wir nie sprachen“.
Katharina Godler
Buchkultur – Ausgabe 206 1/2023